Hallo Dimmi,
sollte der Bandscheibenvorfall frisch sein, braucht das einige Zeit zum Abheilen - ich meine aus der Erinnerung heraus, je nach Ausmass sechs Wochen bis drei Monate. In dieser Zeit sollte die Belastung der Wirbelsäule möglichst niedrig gehalten werden. Also falls Du so Dinge wie Kniebeugen, Kreuzheben oder beispielsweise auch Hyperextensions trainiert hast, sollten diese erstmal weggelassen werden, weil dadurch eine hohe Druckbelastung auf die Wirbelsäule entsteht.
Hierzulande wird meiner Erfahrung nach gerne das Training der tiefliegenden bzw. kleinen Rückenmuskeln empfohlen zur Stabilisation der Wirbelsäule. Dies oftmals über sogenanntes "Unstable Surface Training", also Stehen auf Rüttelplatten, Balanceakte auf Bällen und Ähnliches. Alternativ werden Maschinen für das isolierte Training der Tiefenmuskulatur der HWS bzw. LWS beworben, in denen man drin sitzt und mit dem Kopf bzw. Rücken nach hinten gegen ein Polster drückt. Ich habe beides vor vielen Jahren ausprobiert und es hat mir persönlich nichts gebracht (ausser teils noch mehr Schmerzen). Habe mich lange gefragt, warum das eigentlich nicht funktioniert hat.
Vor einigen Jahren bin ich dann auf den in englischsprachigen Kraftsportkreisen gut bekannten Biomechanik-Professor Stuart McGill gestossen, der sich auf die Wirbelsäule und u.a. Sportler mit Wirbelsäulenproblemen spezialisiert hat. Er erklärt verständlich, was das Problem mit dem obigen Ansatz ist bzw. warum die genannten Tiefenmuskulatur-Isolations-Maschinen unter bestimmten Umständen sogar einer der, wie er im englischen Original schreibt, "besseren Wege" sind, einen Bandscheibenvorfall erst zu provozieren (!).
Wirbelsäulenstabilität hat seiner Aussage nach wenig damit zu tun, ob man auf einer wackeligen Oberfläche wie z.B. einem Gymnastikball balancieren kann. So ein Ausbalancieren sei schlichtweg die Fähigkeit des Körpers, in Balance zu bleiben, was zwar einerseits wichtig sei, anderseits aber nicht das Problem der instabilen Wirbelsäule adressiere. Echte Wirbelsäulenstabilität werde über eine gleichmässige "Steifheit" bzw. Anspannung der
gesamten Muskulatur rund um die Wirbelsäule, d.h. Bauch-, Rücken- und Tiefenmuskulatur erzielt. Sich nur auf einen Bereich dieses zusammenwirkenden Muskelkomplexes zu konzentrieren, erhöht laut McGill im allgemeinen nicht die Wirbelsäulenstabilität, sondern führt zu (Bewegungs-)Mustern, die die Stabilität verringern. Hinzu kommt, dass man die einzelnen Tiefenmuskeln auch nicht gesondert anspannen könne (Quelle im Original:
https://www.backfitpro.com/designing-back-e...g-performance/)Nach McGill gilt es, durch diverse Tests zuerst diejenigen Bewegungen (Vorneigung, Rückneigung, Seitneigung etc.) zu identifizieren, unter denen es zu Beschwerden wie Ausstrahlung in die Beine kommt. Diese sind erstmal zu meiden bzw. durch wirbelsäulenschonende Alternativen zu ersetzen (z.B. durch Einleitung einer Bewegung über die Hüfte statt aus dem Rücken), bis sich die Nervenreizung zurückgebildet hat. Mithilfe eines strukturierten, individuell angepassten Rehaprogramms soll die körperliche Belastbarkeit dann stufenweise gesteigert werden, bis hin zur Rückkehr zum Sport im Optimalfall. Das McGill-Programm besteht aus den "Big Three"-Übungen sowie mehrmals am Tag zügig Spazierengehen, eine übersichtliche Zusammenfassung findet sich z.B. hier:
https://squatuniversity.com/2018/06/21/the-...core-stability/.
Wichtig bei allen Rehamassnahmen - ganz egal welchen der zahlreichen existierenden Ansätze man wählt - ist vor allem, gezielt die Ausdauer der stützenden Rumpfmuskulatur zu trainieren. Das heisst, dass die Ausdauer dieser Muskeln für die Dauer einer korrekten Übungsausführung reichen muss, damit es beispielweise nicht zum plötzlichen Einrunden des Rückens beim Heben einer Last kommt.