ich eroeffne diesen Thread um meinen Krankheitsverlauf zu dokumentieren, in der Hoffnung dass Leute sehen dass heftige Vorfaelle nicht zwingend operiert werden muessen.
Kurz zu meiner Person und meinem Bandscheibenproblemen: 29 Jahre alt, schlank (183cm, 65Kg) und sportlich, abgeflachte Lordose (Flachruecken).
Hatte schon vor 8 Jahren einen BSV L5S1 (Prolaps), aus dem wurde ein Sequester der verschwunden ist (wahrscheinlich resorbiert). Seit einem Jahr wieder Probleme mit der selben Bandscheibe. Im Sommer ein kleinerer Prolaps der auf die rechte S1 Wurzel drueckte, mit nur maessigen Schmerzen und ohne Taubheit, der wurde nach 3-4 Wochen asymptomatisch und konnte auf einem spaeteren MRT nicht mehr nachgewiesen werden. Dann Herbst wieder eine Rueckenblockade, mit Schmerz und Druck im Lombarbereich und leichte Ausstrahlung in Hintern und Oberschenkel links (gingen nicht unters Knie). Schmerzen waren nicht intensiv, dennoch sehr hartnaeckig. Habe mich zu diesem Zeitpunkt auch nicht wirklich geschont. Niessen und husten war schmerzhaft.
Dann vor 2 Monaten verhoben und habe dann nach einem Tag gespuert wie mein linker Ischias in Flammen aufgeht. Extreme Schmerzen, besonders in der linken Waade, mit Taubheit im klassischen S1 Areal. Keinerlei Paresen, konnte schon immer auf beiden Beinen gleich auf die Zehenspitzen/Hacken. Paresen wurden auch durch ein EMG ausgeschlossen. Niessen und Husten verursachten auf einmal keine verstaerkten Schmerzen mehr (ein Indiz dass aus einer Protrusion ein Prolaps geworden ist). MRT zeigte eine sehr raumfordernde transligamaentere Extrusion (also Faserring und hinteres Laengsband ganz gerissen) von ung. 25mm (Radiologe hat gar nicht mehr gemessen, hab ich danach selber gemacht, hat gleich koronale Schnitte fuer eine Orientierung fuer den Neurochirugen gemacht). Linke S1 Wurzel komprimiert und nach hinten verlagert, Duralsack linksseitig vollkommen komrimiert. NCs rieten zur OP, so schnell wie moeglich, zwar keine absoluten klinischen Gruende (keine Parese, kein Cauda-Equina Syndrom), doch anhand der Bilder haette sich niemand gewundert wenn ich schon inkontinent waere und nicht mehr richtig laufen koennte (war aber zum Glueck nie der Fall).
Hab mich dann schon mental auf eine OP eingestellt, habe mir aber noch 2 Wochen Zeit gegeben. Ketoprofen als Entzuendungshemmer und danach 9 Tage Kortison massig reingehauen (oral, keine PRT). Schonung dabei, weil ich merkte dass langes Sitzen und Gymnastik es schlimmer macht, nur kurze Spaziergaenge gemacht. Und siehe da, es wurde besser. OP erst einmal abgesagt.
Jetzt ist das ganze 2 Monate her und mir geht es schon ganz gut. Habe vor 3 Wochen versucht zu Schwimmen, tat aber nicht gut. Inzwischen geht es wieder (45 min 3xWoche). Spazieren war am Anfang auch nur max 30 min beschwerdenfrei, jetzt kann ich so viel Laufen wie ich moechte, tut am besten. Auch nach 7km keinerlei Beschwerden, im Gegenteil, Taubheit geht da weg, nur bin ich dann koerperlich schon muede.
Also was im Moment noch ist: Taubheit und manchmal kurzer Schmerz im Gesaess nachdem ich von einem Stuhl aufstehe. Schlafen tue ich in Stufenstellung und benutze ein Waermekissen. Keinerlei Probleme beim Sitzen, versuche es dennoch nicht zu uebertreiben. Aber was wichtig ist: KEIN SCHMERZ MEHR. Nehme zwar noch 2 mal pro tag 50mg Tramal, hab ich aber nicht mehr noetig, habe aber im Moment auch keine Lust auf einen Entzug. Sonst keine weiteren Medikamente.
So, das waere jetzt meine persoenliche Krankheitsgeschichte. Bin angehender Arzt und habe mich in den letzten 2 Monaten intensiv mit dem Thema befasst (Literatur, Studien). Ich moechte hier Betroffenen Mut machen dass auch bei schlimmen BSV Mutter Natur das ganze in den Griff bekommen kann, ohne dass man chirurgisch nachhilft.
Sollte jemand Interesse haben, wuerde ich erst einmal folgende Seite empfehlen (englisch):
http://www.chirogeek.com/Herniation/Hernia...ation-page.html
Da wird die grobe Anatomie und Physiologie der Bandscheiben, anhand von Bildern, sehr gut erklaert.
Auf der Seite wird dann auch angedeutet was die letzten Studien und Leitfaden ergeben:
Je ausgereifter ein BSV ist (also Extrusionen, am besten transligamaentar und Sequester, keine Protrusionen da hier der Faserring noch nicht ganz gerissen ist), desto besser stehen die Chancen dass er von alleine heilt.
Die Begruendung ist die: Bandscheiben haben keine eigene Durchblutung. Die erforderlichen Naehrstoffe komme per Diffusion aus den benachbarten Gefaessen (aus den Endplatten, aus dem Duralkanal). Demnach besteht also kein Kontakt zwichen Bandscheibenkern und Immunsystem. Immunzellen erkennen koerpereigene Strukturen anhand von Oberflaechenantigenen, die Bedingung ist dass diese Strukturen eine eigene Durchblutung besitzen. Diese werden dann von den Immunzellen toleriert (gelten als Self). Demnach kann man den Gallertkern als sequestriertes (verschanztes) Antigen betrachten, welches nicht toleriert werden muss wenn es auf einmal Kontakt zu Immunzellen hat. Dies geschieht bei einer Extrusion (bei Protrusionen leider nicht, da dar Faserring hier noch intakt ist). Der extrusierte Gallertkern setzt erst inflamatorische Substanzen frei, welche die umliegenden Nervenwurzeln entzuenden. Daher der intensive Schmerz am Anfang eines Prolapses. Hier ist der richtige Zeitpunkt starke Entzuendungshemmer zu nehmen, auch Steroide per PRT, dies aber nicht zu lange, da die Entzuendung die erste Etappe der Heilung ist. Die entzuendliche Reaktion zieht die immunzellen an, die das ausgetretene Material mit der Zeit beseitigen werden. Falls eine schmerzhafte Muskelkontraktion besteht, kann man dazu ein Muskelrelaxanz nehmen. Dieser ist m.M.n. der schwerste Moment es ohne OP zu schaffen, da Schmerzen und Schlafentzug, ggf. Kortisonartige Medikamente depressive Stimmung hervorrufen koennen. Nach 1-2 Wochen max nimmt dieser Schmerz ab und man sollte wieder durchschlafen koennen. Dann sollte man auch auf Entzuendungshemmer verzichten, da man sonst die Heilung verzoegert. Man sollte ein wirksames Schmerzmittel finden welches nicht entzuendungshemmend ist, seien es jetzt Opioide (Tilidin, Tramal oder staerkere BTM) oder Nervenleitungsmittel (Gabapentin oder Trizyklische Antidepressiva), man muss selber sehen welche einem helfen und welche NW man eher verkraften kann. In dieser Etappe sollte man absolut ruhen, ist nicht schlimm wenn man ein-zwei Wochen im Bett liegt. So bald man es toleriert koennen kurze Spaziergaenge gemacht werden. Also wirklich Bettruhe bis es besser wird, es wird zwar gesagt nicht mehr als 3 Tage, aber jeder ist anders, so wie jeder BSV anders ist.
Mit der Zeit wird man dann sehen dass man immer laenger ohne Beschwerden laufen kann. Dann kann man auch versuchen andere koerperliche Betaetigungen einzufuehren, diese duerfen aber keinerlei Beschwerden erzeugen. Man kann auch Physiotherapie machen, ist aber auch nicht besser als laufen. Will jetzt auch nicht sagen dass es sinnlos ist, aber man koennte in der Zeit was besseres machen. Schwimmen, wenn es ohne Schmerzen geht, waere hier am besten.
Also zusammengefasst: In der Akutphase Bettruhe, Entzuendungshemmer, Muskelrelaxanz, Schmerzmittel welche nicht entzuendungshemmend sind.
So bald die Akutphase vorbei ist (Schmerzen nicht mehr so stark, dennoch vorhanden) und es nicht mehr so schwierig ist aus dem Bett aufzustehen, Entzuendungshemmer raus und laaaaaaaaangsaaaaaaaaam anfangen zu mobilisieren. Alles vermeiden was den Schmerz intensiviert (aus eigener Erfahrung wuerde ich hierbei Physiotherapie seien lassen, hat bei mir alles noch mal verschlimmert und meine Heilung verzoegert). Man sollte selber herausfinden ob und wie lange man ohne Beschwerden sitzen kann und auch welche Art Stuhl man am besten toleriert. Mit der Zeit dann immer mehr mobilisieren ohne Schmerzen zu verursachen/zu verstaerken.
Was noch zu raten waere:
Durchblutung anregen! Deshalb mobilisieren sobald es geht, lokale Waerme hat in Ruhestellung den selben Effekt. Gefaesserweiternde Medikamente sind hier nicht angebracht, da diese systemisch wirken und der Blutdruck zu sehr faellt was zu viel des guten ist. Bisschen Alkohol abends ist auch nicht hinderlich. Kaffee waere hier auch (in Massen!) nicht hinderlich. Wenn es geht nicht rauchen. Oder zumindest weniger rauchen, da Nikotin insbesondere die kleinen Gefaesse verengt und damit die Heilung verzoegert. Blutdruck kontrollieren, sollte nicht zu hoch sein.
Viel trinken! Bandscheibenkerne binden Wasser, nach einem Prolaps ist die betroffene Bandscheibe ausgetrocknet und schmaler. Sie wird zwar nicht mehr vollstaendig regeneriert, aber man sollte versuchen von morgends bis abends viel Wasser zu trinken um die beste Chance zu haben dass die Bandscheibe wieder etwas hydratierter ist und nicht mehr an Hoehe abnimmt.
Schmerzliche Bewegungen vermeiden! Besonders exzessives Beugen der Hueften (wird gerne in der Physio gemacht), auch wenn es nicht weh tut, sollte unbedingt vermieden werden. Also kein Knie an die Brust. Dabei wird der Gallertkern stark nach hinten verlagert und drueckt auf den geschwaechten Faserring. Das selbe gielt auf fuer Streckung des Rueckens. Unteren Ruecken einfach neutral halten. Ggf. versuchen ein Hohlkreuz zu therapieren (einfach mal googeln, da kann man verschiedene Dehnuebungen machen). Flachruecken ist hier nicht so schlimm und oftmals nur waerend der Heilung vorhanden, ist eine Schutzstellung der Wirbelsaeule und geht meistens von alleine weg. Auf Training mit Gewichten sollte man verzichten.
Man sollte sich fragen was zu dem BSV gefuehrt hat. Ist es irgendein Sport? Eine gewisse Bewegung? Langes Sitzen? Schlechte Haltung? Wenn man einen Verdacht hat oder sich ziemlich sicher ist, sollte man versuchen in Zukunft dies entweder ganz zu lassen (zum Beispiel Kniebeugen/Kreuzheben) oder versuchen es zu optimieren (Haltungsfehler beim Sitzen/generell).
Mir sieht mir gar nicht mehr an dass ich Rueckenprobleme habe. Mein Gang ist ganz normal und habe auch keine Probleme bei langem Sitzen/Stehen. Und das nach 2 Monaten nachdem mir fast die ganze Bandscheibe raus ist (werde am Ende ein Schnittbild des Vorfalls posten, da sieht man wie schlimm es war). Der eine NC den ich jede Woche sehe raet mir trotzdem noch zur OP

Dies gilt wie gesagt fuer Vorfaelle welche zumindest den Faserring durchbrochen haben, am besten auch noch das hintere Laengsband und Sequester (welche eigentlich fast immer aus einer Extrusion entstehen und das letzte Glied der koerperlichen Heilung darstellt. Und das mit dem Verrutschen von Sequestern ist auch so ne Sache: es wurde gezeigt dass Sequester von neu gebildeten Gefaessen umzingelt und somit fixiert sind und sehr effizient abgebaut werden. Die koennen also gar nicht bei relativer Schonung verrutschen, es sei denn mann hat nen Unfall oder so was in der Art.) Daher plagen sich wahrscheinlich auch manche mit ner Protrusion unendlich rum, wenn man Glueck hat ist sie mittig und drueckt auf keine Wurzel und man hat zumindest keinen Beinschmerz/Missempfinden im Bein, Rueckenschmerzen sind dennoch vorhanden da der hintere Faserring Schmerzrezeptoren besitzt. Und wenn nicht, lassen die Schmerzen im Bein einfach nicht nach, war bei mir auch seit Herbst so, 4-5 Monate und keine eindeutige Besserung (Schmerzen waren zwar nicht so extrem wie denen bei dem kompletten Riss des Faserrings, dennoch ist jeder chronische Schmerz schlecht und macht einem zu schaffen).
Ich moechte hier nicht alles verallgemeinen, natuerlich ist es eine andere Sache wenn mann nach nem Vorfall Laehmungserscheinungen im Bein oder Symptome in der Genital- oder Rektalsphaere hat. Da sollte man lieber schnell einschreiten. Wenn man aber nur Schmerz und Taubheit hat, durch eine Extrusion/Sequester verursacht, stehen die Chancen aber gut dass diese auch weggehen (sensorische Nervenfasern haben eine bessere Regenerationsfaehigkeit als motorische).
Ich hab angfang Juli einen MRT Termin, bin gespannt was da rauskommt. Hier noch ein paar Links (hab leider nicht alle gebookmarked und habe 2 neue Buecher welche ich jetzt nicht scannen werde):
http://www.simplebackpain.com/discectomy.html#axzz47F6Qu19T
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3025225/
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2966735/
http://www.bjj.boneandjoint.org.uk/content/89-B/6/782
http://www.myrehabexercise.com/blog/do-her...d-discs-resorb/
http://www.udel.edu/PT/manal/spinecourse/D...euroscience.pdf
http://www.rebuildyourback.com/herniated-disc/no-surgery.php
http://www.joas.in/article.asp?issn=2319-2...28;aulast=Reddy
http://www.eurospine.org/sciatica.htm
http://www.healio.com/orthopedics/spine/jo...within-3-months
http://www.mc.vanderbilt.edu:8080/reporter...ex.html?ID=1001
http://josonline.org/pdf/v9i1p1.pdf
Alles Gute!