Liebe Community,
ich weiß nicht ob man sich vorstellen soll/darf. Ich machs einfach einmal. Bin irgendwie froh dieses Board gefunden zu haben.
War früher aktiver Langstreckenläufer (Cross) und Squasher. Bis Ende 2011. Da fing mein Körper an mich zu ärgern: Ich konnte nicht mehr so schnell an die Wand sprinten wie früher (Squash :-). Zwischensprints beim Lauftraining waren auch nicht mehr möglich. Mein Squashpartner meinte, es liegt an meinem Alter (2012 war ich 45). Ok.
Dann im Lauf des Jahres 2012 hatte ich auf einmal Probleme mit dem Darm: Plötzliche Stuhlentleerung. Ok dachte ich, Reizdarm, Stress. Dann kamen Blasenprobleme dazu. Ich musste und konnte nicht. Oder ich wusste es nicht und konnte... :-) Hatte im Juni 2012 dann eine Blasenspiegelung, LWS-Aufnahmen (Doc meinte es könnte ein LWS Syndrom sein) uvm. Als ich dann 4 Querschnittsanfälle bekam (auf einen Schlag von Bauchnabel bis runter alles weg) bekam ich Panik. Das letzte Ereignis war im Juli 2012: Ich fuhr meine Tochter in die Schule. Als ich in mein Büro weiterfuhr, konnte ich nicht mehr aussteigen.
Doc hat mich daraufhin zum Neurologen geschickt. Hab den Befund noch hier: Er meint Stressreaktionen, alles die Psyche. Angstzustände. Hab in der Familie drei MS-Fälle. Der Neurologe meinte eben: Darum die Angstzustände. Angst vor MS. Aber dennoch ließ er August 2012 LWS, BWS und HWS durchchecken, mit Kontrastmittel.
Der Termin zur Besprechung war der 18. September. Punkt 18.00 Uhr betrat ich sein Büro. Er gab mir die Hand. Und entschuldigte sich. Ich hätte sooooo eine ausgeprägte Myelopathie ab T6 sub, dass ich eigentlich gar nicht mehr laufen dürfte. Es könnte doch MS sein. Die schleichende Version (progressive). Ich bekam eine Krankenhauseinweisung usw. Aber eben auch: Einen Termin in die Radiologie vorab, um zerebrale Herde im Kopf zu "suchen".
1 Woche vor dem Krankenhaustermin ging ich also in die Röher. Aber ich bestand diesmal drauf, dass sich ein Arzt die Bilder gleich anschaut. Die vergangene Woche war für mich und meine Frau (die Kids haben wir bischen nicht-informiert) schlimm genug. Ich musste mehrere Stunden warten. Dann kam eine liebe Arztin, nahm mich bei der Hand (!) und führte mich in ihr Büro. Dort lagen alle bereits gemachten Aufnahmen (LWS, BWS, HWS) und die Kopfuntersuchung. Sie sagte gleich: Sie habe kein MS. Die Kollegen haben da die kleinen Pünktchen übersehen: Das ist ganz ganz selten, 1:200000, aber sie denkt ich hätte eine spirale durale AV-Fistel(n) im Bereich T6-T10. Sie hat sowas selbst noch nie erlebt. Aber ich solle mit dieser Info zu meinem Hausarzt gehen um das weitere Vorgehen zu besprechen. Ich fing an zu heulen (als Mann). Vor Glück und Angst gleichzeitig. Die Ärtzin heute dann auch (wohl eher Angst vor mir). Und sie sagte noch, wenn nicht schnell was passiert, bin ich im Rollstuhl und im Querschnitt. Ich wäre schon im Querschnitt...... AV heisst: Arterien und Venen haben sich IM (!) Rückmark, innerhalb der Dura gefunden und gebunden. Das kann angeboren sein, oder durch einen Schlag etc.. (wobei durch Schlag: Der müsste Jahrzehnte her sein. Solange dauert es bis sich Arterie einen Weg sucht...).
Mein Hausarzt informierte die Klinik und ich wurde von einem Neuroradiologie-Professor angerufen. Und eingeladen. Er sah sich die Bilder an und bestätigte den Verdacht: Spinale durale AV-Fisteln, eine AV-Malformation. Ich müsste Embolisiert werden: Klebstoff in die Gefäße im Rückenmark.....
Wurde eingewiesen und im Dezember versuchte man mit Katheder über die Leiste hinauf ins Rückenmark zu gelangen. Dort ging man dann mit Mikrokatheter in die Arterie-Venen und der Prof. setz den Kleber. Alles ohne Narkose. Denn sobald der Kleber gesetzt wird: Luft anhalten. Nicht bewegen. Weiteratmen....
Nach 2,5 Stunden war die Folter zu Ende. Die Docs waren sehr zufrieden. Ich rief noch auf dem Tisch liegend meine Frau an. Es war herrlich. Am Abend allerdings ging ich langsam in die Lähmung. Erst das linke Bein. Immer mehr merkte ich wie sich das Bein verabschiedete. Ich konnte nicht mehr laufen. Hüftheber. Fussheber. Weg. Das war Dienstag. Am Freitag dann ging meine rechte Körperhälfte von Fussspitze bis Bauchnabel in die Taubheit (ich fühle Streicheln, aber keine Wärme/Kälte oder Schmerz).
Ich wurde entlassen und kam auf REHA. 4 Wochen. Dann wieder Termin ins Krankenhaus: Man wollte gucken ob sich durch das Verkleben evtl. neue Arterien-Feeds gebildet haben. Das ist die Gefahr. Wenn man nicht alles erwischt, baut sich das neu auf, wächst nach. Dezember. Diesmal dauerte die spinale Angiographie 4 Stunden. Und leider wurde festgestellt es sind noch AVM's vorhanden. Ich bekam nach 4 Stunden solche Schmerzen und Krämpfe. Und auf einmal war alles weg. Kompletter Querschnitt ab Bauchmitte. Langte runter und spürte einen fremden Körper. Es wurde abgebrochen, ich kam in die Röhre. Am nächsten Tag setzte mich ein Pfleger aufs Clo. .... Und an diesem Tag ging der komplette Querschnitt wieder zurück. (Leider ab blieb die Lähmung links, und Taubheit rechts).
Für den 12. Dezember wurde die Not-Op geplant und durchgeführt. Wirbelbogen absägen. Rückenmark aufmachen. Hirnhaut aufmachen und mit einer Art Lötkolben die Wucherungen weglöten. Das war der Plan. Ich wachte auf und konnte meine Beine leicht bewegen: Also durch die OP keine Verschlimmerung. Entlassung und wieder REHA.
Dann war für Februar wieder eine spinale Angiographie geplant. Nur durch eben diese Angiographie kann man feststellen, ob wieder Arterien und Venen Brüderschaft getrunken haben. Ich zitterte. Und der Prof. tätschelte mich nach 2 Stunden: Tut mir sooo leid. Wieder was da. Und wir wissen jetzt nicht wie es weitergehen soll. Ich wurde heimgeschickt und sie melden sich bei mir wenn es einen Plan gibt. Da die neue Arterie-Feder zu Nahe an einer Hauptarterie liegt usw.
Ich wurde also im Februar wieder entlassen ohne Plan. Allerdings wurde mir nicht langweilig. Ende Februar bekam ich so starke Lungen, Brust- und Rückenschmerzen. Dachte erst, es kommt von den Eingriffen. Kurzum: Ich habe mir eine Tiefe Beinvenenthrombose im gelähmten Bein eingefangen. Und die Schmerzen kommen von einer Lungenembolie die ich überlebt habe.
Hm. Dann wurde ich im März ins KH eingeladen. Der Neurochirurg war bereit das Wagnis einzugehen und trotz Thrombose, überstandener Lungenembolie UND den Eingriffen vohrer UND der blöden Lage AVM nahe Hauptarterie zu operieren. Ich kam am 5. Juni ins KH. Wurde von Marcumar runtergebracht auf Heparinspritzen. Die Chirurgie hat einen richtigen Plan ausgearbeitet. Am 10. Juni wurde ich abgholt. Und wachte nach 6 Stunden wieder auf: Auf der Intensivstation. Pneumatische Robots haben meine Beine massiert :-) Und der Chirurg saß bei mir und fragte ob ich noch was bewegen könnte: Ja alles wie früher (also linkes Bein gelähmt und rechts Taubheit). Aber ich lebe und es gab keine Verschlimmerung. Und der Chirurg meinte: Jetzt hat er wohl die Bestie komplett erwischt. Entlassung. Wieder ins Büro zum Arbeiten :-) Megahappy.
Aber es stand ja noch die letzte Untersuchtung an im Juli. Also man muss 6 Wochen warten. Dann wieder spinale Angiographie. Und diesmal wurde nichts mehr gefunden !!!!!!! AVM futsch. Allerdings jährliche Nachkontrolle. Es könnte ja durch die neuen Druckverhältnisse eine neue AVM entstehen. Aber daran glaub ich jetzt mal nicht.
Seit Juli 2013 also ohne KH Aufenthalt. Physio mit Massagen (Rücken ziemlich vernarbt). Stromtherapie. Und eine starke Familie. Hab jetzt einen Gehwagen für Strecken ab 1 km (mehr kann ich mit einem Bein nicht humpeln) und einen Rollstuhl, den ich aber noch nicht benutzt habe. Da macht die Psyche noch nicht mit. Ich als ehemaliger Läufer. Aber der Tag kommt immer näher, an dem ich meine Laufstrecke mit dem Rollstuhl abfahren werde. Meine Tochter drängt mich. Aber nein. Noch nicht.
Stand jetzt: Tiefe Beinvenenthrombose mit Kompressionsstrumpf: Lebenslänglich laut Phlebologen (da die Muskelpumpe nicht arbeitet). Marcumar: Wie lange noch keine Ahnung. Linkes Bein ab Hüfte: Ab und zu klappts. Ab und zu nicht. Einfach Heber gelähmt (Hüfte und Fuss). Rechts immer noch Taubheit. Im Befund des KH steht: Brown Sequard Syndrom. Leistenbruch links (da ich über die Leiste arbeite durch die Lähmung). Und das Schlimmste: Mastdarm und Blasenprobleme. Und leider.. Impotenz (nicht ganz, aber kein Vergleich zu früher). Die Blase hypernervös. Hab mir letzten Freitag beim Einkaufen die Hose voll gemacht. Darmmanagement: Jeden Tag Früh und Abend Einlauf. Die Darmbewegung ist einfach nicht mehr vorhanden. Blase bekomm ich noch so in Griff. Habe normal Windeln an.
OMG sorry, das wurde jetzt mehr als ich wollte. Hoffe das ist ok so.
Wünsch Euch ein Happy Weekend. Und freue mich schon auf die Fragen, die ich stellen darf (gerade Darm und Blase. Das ist für mich das größte Problem. Und Rückenschmerzen chronisch durch die Fehlhaltung und Vernarbung im Rücken).
LG,
Michi