Hallo zusammen,
für wen es interessiert, wollte ich hier meine Erfahrungen mit meinem Bandscheibenvorfall niederschreiben. Soviel vorab, mir wurde am 06.01.2010 eine Bandscheibenprothese eingesetzt und ich wurde heute (11.01.2010) aus dem Krankenhaus entlassen. Kurz zu mir: 35 Jahre, männlich, sportlich, normale Figur.
Der Leidensweg
Anfang November ging das Leiden los. Erst fühlte es sich an, als ob ich einen steifen Hals hätte (links, typischer Zugschmerz). Nach einer Woche bin ich zum Arzt gegangen. Diagnose: Steifer Hals, Therapie: Geht von allein wieder weg. Nehmen Sie Ibuprofen. Ich war damals nicht bei meinem Hausarzt, weil ich nicht zu Hause war.
Nach ein paar Tagen bin ich dann zu meinem Hausarzt gegangen, weil es einfach nicht besser wurde und ich ein leicht taubes Gefühl in den Fingerkuppen (Zeigefinger, Mittelfinger links) bekam. Diagnose: Wirbelblockade. Überweisung an den Orthopäden. Nun ging es so los, wie ihr es wohl alle kennt: Spritzen, Schmerzmittel, manuelle Therapie, Wärmetherapie, Radiologe für CT, MRT - Diagnose Bandscheibenvorfall. Klein, aber punktgenau auf die Nervenwurzel.
Also, ich fasse nochmal zusammen: Anfang November ging es los, zwei taube Fingerkuppen ab etwa Ende November bis Mitte Dezember, dann zwei taube Finger und gelegentlich taub werdender Unterarm.
Schmerzen und Schmerzmittel
Anfangs hatte ich Schmerzen wie bei einem steifen Hals. Also nicht angenehm, aber auch nicht wirklich schlimm. Die Schmerzen wurden aber mit der Zeit schlimmer. Nachts schlafen wurde unmöglich, ich habe mehrere Nächte nicht geschlafen, obwohl ich hohe Dosen Ibu geschluckt habe (festhalten: 5-7 Mal ja 800 mg über zwei Tage nach ärztlicher Absprache. Ziel war, eine Schmerzreduktion zu erzielen, damit sich die Muskulatur entspannen könnte. Kommentar vor Arzt: Wenn es der Magen mitmacht...). Leider hat dies nicht geholfen. Schmerzen weiter sehr stark, nachts nur ein paar Stunden mit vielen Unterbrechungen in den unmöglichsten Positionen geschlafen. Dann haben wir den Versuch abgebrochen, sind auf Tilidin 100 umgestiegen (Retard). Hier erst eine abends, leichte Linderung, dann erhöht auf zwei bis drei gegen Abend. Schlafen wurde besser (zwei Stunden am Stück möglich), aber Tilidin macht nunmal auch müde und unaufmerksam. Arcoxia 90 als zusätzliches Mittel. Zu den Zeiten, als das MRT anstand, war ich derart verspannt und unter Schmerz, dass ich auch bei stark erhöhter Tilidingabe und zusätzlichen Ibus die Untersuchung nicht durchführen lassen konnte. Liegen auf dem Rücken war praktisch unmöglich. Bei dem ersten Versuch bin ich nach zwei Minuten aus der Röhre, ich habe ich von dem "Tablett" gewälzt und habe nur mit Mühe nicht auf den Boden gekotzt. Schmerzskala: Richtung 9, würde ich sagen... Geklappt hat dann erstmal ein CT, dort konnte man auch schon etwas sehen. Ruhig liegen weiterhin schwer, daher auch kaum eine Chance für PRTs. Ich war kurz davor, mich in die Klinik einweisen zu lassen.
Geholfen hat mir dann die vorübergehende zusätzliche Gabe von Katadolon. Ein paar Tage Schlaf...
Therapien - der verschwundene Bandscheibenvorfall
Ich habe mich über die möglichen Therapien recht umfassend im Bekanntenkreis und bei Familienmitgliedern (Ärzte) erkundigt. Für mich überraschend war, dass ein Bandscheibenvorfall in vielen Fällen einfach wieder verschwunden ist. Häufig soll es vorkommen, dass dadurch, dass der Vorfall nicht mehr ausreichend versorgt wird, dieser abschwellen und den Druck von dem Nerv nehmen. Es stellte sich heraus, dass aus auf diese Weise in meinem Bekanntenkreis etwa 80% der Bandscheibenvorfälle verschwunden sind. Es kam Hoffnung auf. Unterstützend sollte eine PRT-Behandlung wirken, da diese den Wasserentzug unterstützen sollte. Wie gesagt, kam bei mir leider nicht in Frage.
Also, der Weg zum Neurochirurgen. Hier die ganz klare Ansage: Wenn es Lähmungen gibt, dann sofort unter das Messer. Wenn nicht, entscheidet der persönliche Leidensdruck über die Therapie. PRT sinnvoll, aber bei mir auch schon etwas zu spät (je früher, desto wirkungsvoller), nach sechs Wochen wurden die Chancen als eher gering angesehen, gerade bei einer Zunahme der Beschwerden. Weiterhin sinkt die Chance, dass sich die geschädigten Nerven komplett erholen, mit länger anhaltendem Druck auf selbige. Ich habe eine Woche Bedenkzeit genommen, um mir über die OP-Chancen und -Risiken klar zu werden. OP von vorne, Stimmnerv, Speiseröhre, Luftröhre werden weggeschoben. Entfernung der Bandscheibe. Rückenmark ist ja nicht weit weg. Wahl zwischen Cage und Prothese. Im besten Fall ohne Beschwerden, im schlimmsten Fall Querschnittslähmung. Das Aufklärungsgespräch war hart und ausführlich (hatte ich drum gebeten - nicht um den heißen Brei rumreden). OP vor Weihnachten wäre möglich gewesen, da hatte ich aber Schiss :-)
Ich habe mich für eine OP entschieden. Empfehlung des Chirurgen: Cage. Hat mich gewundert, er meint, dass die hohen Erwartungen in die Prothesen nicht wirklich nachweisbar sind. Das war mir aber egal, ich wollte eine Prothese. Kostenvoranschlag, in meinem Fall dann aber auch Übernahme durch die Kasse. Also Prothese.
Die OP (meine erste)
Ein Tag vorher in die Klink, dann die ganzen Test (Blut abnehmen, Fragebögen, Gespräche mit dem ganzen OP-Team). Abens eine "alles-ist-gut-Tablette". Am nächsten Tag ging es los. OP-Zeit ca. 2,5 Stunden, noch drei Stunden im Aufwachraum und was sage ich: Sofort, nachdem ich aufgewacht bin, habe ich keine Schmerzen mehr gespürt. Klar, lag an der Narkose. Aber den Rest des Tages habe ich mich schon sehr gut gefühlt. Aufstehen durfte ich trotzdem nicht, in die Ente pinkeln ist ein ganz komisches Gefühl (noch ehe man drei Jahre alt ist, gewöhnt man sich das im Bett pinkeln ab, und dann soll man auf einmal im Bett und im Liegen pinkeln können...). Nachts mit leichten Schmerzmitteln (proforma) sehr gut geschlafen und am nächsten Morgen: Weiterhin keine Schmerzen mehr in Arm und Rücken, Gefühl deutlich besser in den Fingern, wie ich es mir erträumt habe. Lediglich der Hals hat mir ein wenig wehgetan (leichter Muskelkater), Sprechen etwas rauh, Schlucken etwas schmerzhaft, aber das war mir alles vor der OP klar. Richtig sprechen kam am zweiten Tag wieder, Muskelkater ist nach vier Tagen weg gewesen, Schlucken ist noch etwas komisch (wie Halsschmerzen), aber die Wunde verheilt super.
Eine Langzeitprognose kann ich aber hier nicht geben - recht kurze Zeit.
Was sich verändert hat
Eins muss ich sagen, auch wenn ich jetzt eine Prothese habe, das Original war besser. Ich denke viel darüber nach, ob sich die OP hätte vermeiden lassen. Nun ist alles gut gegangen, da ist der Gedanke nicht mehr so streng. Aber trotzdem habe ich nun anstelle einer Bandscheibe ein Stück Titan im Hals. Ich bilde mir ein, einen Unterschied zu merken. Weiterhin ist unklar, wie lange ich um eine Versteifung durch Kochenüberwachstum an der behandelten Stelle herumkomme. Werden die umliegenden Wirbelkörper stärker belastet, steht ein weiterer Vorfall allein durch die Behandlung des ersten an? Ich weiß es nicht, in der Medizin gibt es leider zu diesen Fragen keine klaren Antworten.
Noch was: Ohne Tilidin ist das Leben noch schöner!!
Meine Tipps
Eines vorweg. Ich bin kein Arzt. Also - hier eine ganz persönliche Meinung.
Tipp 1: Das Original ist besser als die Prothese oder der Cage.
Tipp 2: (Stammt nicht von mir): Bei Lähmung immer OP.
Tipp 3: Wenn ihr keine Taubheit oder Schwäche habt, also nur Schmerzen, gibt es eine Reihe von konventionellen Therapien. Muss jeder selber Wissen, aber ich kann manuelle Therapie empfehlen, der große Teil der Schmerzen kommt durch die verspannten Muskeln und nicht durch den Bandscheibenvorfall.
Tipp 4: Es gibt noch eine Reihe von alternativen Maßnahmen, die teilweise den Bandscheibenvorfall zu erklären versuchen. Google und dieses Forum helfen.
Tipp 5: Hört euch um, es ist erstaunlich, wer alles schon mit einem Bandscheibenvorfall lebt, bzw. wer ihn nicht mehr spürt.
So, nun habe ich über eine Stunde die Erfahrungen der letzten Wochen zusammengefasst. Euch allen eine gute Besserung!