Hallo,
ich war seit einiger Zeit nur Mitleser, doch heute will ich mich mal endlich vorstellen.
Vor einigen Jahren wurde bei mir nach einem Bandscheibenvorfall und einer Bandscheiben-Op, die nur teilweise geholfen hatte, in einer süddeutschen Klinik eine Bandscheibenprothese (Link-Charite-Prothese) implantiert.
4 Jahre lang ging es mir ziemlich gut damit, dann erneut starke Schmerzen. Beim Gehen Beinschmerzen beidseitig, Treppengehen ging fast gar nicht, Sitzen äußerst schmerzhaft (ich konnte nicht einmal solange sitzen, bis ich gegessen hatte), selbst das Liegen war sehr schlimm, ich wusste gar nicht, wohin ich meine Beine im Bett am besten hinlegen sollte, ich war völlig invalide. Tja, und obwohl man mir damals vor der Implantation gesagt hatte, kein Problem, wenn die Prothese nicht hilft, dann sei eine Versteifung immer noch leicht möglich, war das Verhalten meines Operateurs vier Jahre später eine herbe Enttäuschung. Man behandelte mich als sei ich das größte Rätsel des Universums und ich wurde zweimal ohne jegliche Hilfe wieder weggeschickt mit der Aussage, man könne die Ursache meiner Schmerzen nicht finden.
Geschockt suchte ich andere Chirurgen auf und zeigte ihnen meine mitgebrachten Bilder, Ergebnis: Prothese an der Hinterkante in den Wirbelkörper eingesunken (dadurch Hyperlordose), auf einer Seite etwas mehr als auf der anderen, Knochenanlagerung an der Prothese, Facetten kaputt, die angrenzende Bandscheibe (L4/5) auch geschädigt, ebenfalls die Facetten von L4/5.
Man zeigte mir, dass man bereits bei meinen 6-Wochen-Kontrollbildern eine beginnende Einsenkung sehen konnte, auch auf meinen 2-Jahres-Kontrollaufnahmen konnte man Einsenkung sowie die beginnende Knochenanlagerung sehen, doch mein Operateur hatte mir nie etwas gesagt, unglaublich!
Manche Chirurgen boten mir an, L5/S1 von hinten zu versteifen, ohne die Prothese zu entfernen, da die Entfernung der Prothese zu gefährlich sei. Da ich zu diesem Zeitpunkt schon die sehr traurige Geschichte eines Patienten kannte, der eine derartige Revisions-OP hinter sich hatte, wollte ich eine solche Fusion ohne Herausnahme der Prothese nicht haben. Bei diesem armen Menschen endete eine solche Spondylodese in einer schmerzhaften Pseudoarthrose, weil durch die verbleibende Bandscheibenprothese einfach noch zu viel Beweglichkeit im Segment war. Dieser Mann sitzt heute im Rollstuhl.
Ich suchte im Internet nach weiteren Informationen und Artikeln zu Revisionsmöglichkeiten und fand dazu weitere Hinweise, die mich darin bestätigten, dass ich versuchten musste, jemanden zu finden, der die Prothese entfernen konnte. Revisionsergebnisse ohne Entfernung der Prothese waren gar nicht gut und in meinem Fall war es ja so, dass selbst, wenn die Fusion mit der verbleibenden Prothese fest geworden wäre, ich ja in diesem übermäßigen Hohlkreuz und Fehlstatik verblieben wäre, wodurch ich inzwischen schon bis zum Hals große Beschwerden hatte.
Zur Einsenkung wurde mir von einem Chirurgen erklärt, dass meine Prothese zu klein war und sie nicht weit genug am Rand des Wirbelkörpers platziert war, wo der Knochen am härtesten ist. Eine zu kleine Prothese und gleichzeitig keine ideale Positionierung, dies zusammen kann auch bei Menschen, die keine schlechten Knochen haben (so wie ich), zu einer Einsenkung führen.
Ob das wirklich die ganze Erklärung für alles ist, weiß ich nicht, es könnte meiner Meinung auch daran liegen, dass ich von Natur aus schon ein Hohlkreuz habe und höchstwahrscheinlich gar kein guter Prothesen-Kandidat war, obwohl mein Operateur damals gesagt hatte, ich sei ein perfekter Kandidat.
Und dies obwohl mein Prothesen-Chirurg zum Zeitpunkt meiner Prothesen-Implantation schon eine sehr hohe Implantationszahl und jahrelange Erfahrung hatte. Außerdem wurde mir gesagt, dass die Charite für mich zu beweglich war und es auch dadurch zu den negativen Folgen gekommen war.
Eine hohe Implantationszahl kommt meiner Meinung nach nur dann zustande, wenn ein Chirurg nur sehr wenige Kontraindikationen sieht.
Fast ein ganzes Jahr lang klapperte ich Arzt um Arzt ab, dieses Jahr war die schwierigste Zeit meines Lebens, es war ein richtiger Kampf für mich, viele Schmerzen und immer wieder neue Enttäuschungen. Ganz am Schluss fand ich wie durch ein Wunder schließlich doch noch einen Chirurgen, der mir helfen konnte. Die Prothese wurde entfernt und eine Versteifung gemacht. Überraschenderweise wurde bei der OP festgestellt, dass an den Metall-Endplatten gar kein Knochen angewachsen war, obwohl seit 1998 die metallenen Endplatten speziell beschichtet sind, um die Knochenintegration zu ermöglichen. Überall war Knochen angelagert, doch die Endplatten selbst kamen ganz blank heraus, entweder hatte von Anfang an gar keine Knochenintegration stattgefunden und die Prothese war von Anfang an nur so dazwischengeklemmt oder es war zu einer nachträglichen Lockerung gekommen, ganz wird das nie mehr zu klären sein.
Die Bandscheibe L4/5 wurde ebenfalls entfernt und diese Etage versteift.
Durch diese beiden Fusionen kann ich wieder gut liegen, laufen, stehen und sitzen. Ich brauche keinerlei Schmerzmittel und es geht mir gut. Das Erstaunlichste ist, dass es mir heute mit meinen beiden Versteifungen sogar besser geht als in meinen vier guten Prothesen-Jahren.
Ich hatte sehr großes Glück, denn schon kurz nach meiner OP hat mein Revisions-Chirurg an der Klinik aufgehört. Nur ein paar Wochen später und ich hätte ihn nicht mehr gefunden. Ich mag gar nicht daran denken, was dann noch aus mir geworden wäre.
Mir ging es mit meinem Prothesen-Operateur ähnlich wie Viola mit ihrem, vor der OP wird getönt "Kein Problem, wenn die Prothese nicht hilft, versteifen kann man immer noch." und wenn man dann Hilfe braucht, dann wird einfach gekniffen. Tja, Prothesen einbauen ist eben weitaus einfacher als eine äußerst mühselige und schwierige Entfernung. Und es schadet solchen Operateuren auch nicht groß, problematische Patienten später dann mit irgendwelchen Ausflüchten wieder loszuwerden, wo es doch immer genügend neue Patienten mit Schmerzen gibt, die eine Prothese haben wollen.
Ich finde es ganz toll, dass Viola einen so kompetenten Revisionschirurgen gefunden hat, der das Herz und den Willen und das Können hatte, ihr zu helfen, was absolut nicht selbstverständlich ist. Ich habe vor solchen Ärzten einen Riesen-Respekt.
Der Grund warum die allermeisten Chirurgen so eine große Panik vor einer Entfernung einer Prothese haben, ist die Lage der Gefäße. Während bei Prothesen and der Halswirbelsäule beim Einbau keine Gefäße mobilisiert werden müssen, das sie hier ja seitlich von der HWS liegen, kann an der Lendenwirbelsäule nur L5/S1 relative unproblematisch erreicht werden, weil diese Etage unterhalb der Gabelung der großen Gefäße liegt. Man kann an L5/S1 praktisch zwischen der Gabelung ran, während bei L4/5 und höher die großen Gefäße (Vene und Aorta) direkt vor der Wirbelsäule liegen (bauchwärts natürlich). Um eine Prothese in L4/5 und höher einbauen zu können, müssen diese Gefäße mobilisiert, d.h. zur Seite abgeschoben werden. Das verursacht Vernarbungen und Verklebungen und wenn dann bei einer Entfernung diese Gefäße und Narben erneut zur Seite geschoben werden müssen, um and die Prothese wieder ranzukommen, dann besteht das Risiko einer Blutung oder gar dass die Venen, die zarte Wände haben, einreissen können. Es ist hier auch schon zu Todesfällen gekommen, eine Prothesen-Entfernung in der LWS gehört daher zu den gefürchtetsten Eingriffen und nur die Allerwenigsten beherrschen eine solch schwierige OP. (Während die Leute für die Entfernung einer Prothese in der HWS weitaus leichter einen Chirurgen finden können.)
Glücklicherweise war meine Prothese in L5/S1, wäre sie in L4/5 gewesen wäre alles noch weitaus schwieriger gewesen. Und selbst für L5/S1 habe ich ein Jahr lang nach einem Operateur gesucht.
Während es heutzutage leicht ist, einen Operateur zu finden, der eine Prothese einsetzt (macht inzwischen ja fast jeder Wirbelsäulenchirurg), ist die Suche nach einem Operateur, der eine Prothese im Berich der Lendenwirbelsäule entfernen kann, wie die Suche nach einer Nadel in einem Heuhaufen. Selbst Operateure mit einer sehr großen Implantationszahl haben Panik vor einer Revisionsoperation und sind ziemlich groh, wenn man sie nicht mit der Bitte um eine Revision "belästigt."
Es ist gut, dass man weiß, was alles bei einer Fusion schiefgehen kann, aber bei Prothesen sollte das auch bekannt sein. Es wird viel zu wenig über Risiken und mögliche Komplikationen aufgeklärt (war bei mir jedenfalls so). Außerdem weiß ja kein Mensch, wie lange sie überhaupt halten und was geschehen wird, wenn die Prothesenträger einmal ein höheres Lebensalter erreichen, wo es ja ganz unvermeidlich natürlicherweise bei jedem Menschen zu einer gewissen altersbedingten Knochendichteabnahme kommt.
Während dem Patienten vor der OP suggeriert wird, die Entscheidung für eine Prothese sei etwas weniger Endgültiges als die Entscheidung für eine Spondylodese ("Versteifen kann man immer noch"), werden meiner Meinung nach vermutlich die allermeisten Prothesenträger ihre Teile bis ans Lebensende behalten müssen, egal ob es ihnen damit gut geht oder nicht. Denn mit dem Spruch "Versteifen kann man immer noch", den man vor einer Prothesen-OP zu hören bekommt, ist in Wirklichkeit meist nur eine Versteifung von hinten ohne Herausnahme der Prothese gemeint, obwohl diese Art von "Versteifung" nur geringe Erfolgsaussichten hat, da sie häufig in einer schmerzhaften Pseudearthrose endet.
Ja und dann diese Behauptung, eine Prothese würde der Degeneration benachbarter Segmente vorbeugen, das glaub ich schon lange nicht mehr und bei mir war das ja auch definitiv nicht der Fall. (Dabei habe ich in meiner Prothesenzeit immer regelmäßig meine Muskeln durch KG gestärkt und habe mich immer viel bewegt)
So, ich hoffe, meine Geschichte ist nicht zu lang geworden.
Ich möchte jetzt nicht die ganze Welt vor lumbalen Prothesen abschrecken und natürlich wünsche ich allen zufriedenen Prothesenträgern, dass es ihnen auch weiterhin gut geht, aber die Information, die man als Patient vor einer Prothesen-OP bekommt, ist halt schon ziemlich dürftig und einseitig (war bei mir jedenfalls damals so) und meiner Meinung nach wird gerade im Prothesen-Geschäft sehr vieles verschwiegen.
Alles Gute wünscht euch allen Bao!