Hallihallo liebe Bandis,
nachdem ich hier vor geraumer einen kurzen Kommentar zu Berliner Ärzten abgegeben habe, wurde ich dazu aufgerufen meine Geschichte zu schildern. Nun endlich finde ich mal Zeit dazu, weil meine Geschichte schon eine etwas längere ist...
Ich bin 33 Jahre alt, schreibe an einer Doktorarbeit, was auch der Grund war vor knapp 5 Jahren nach Berlin zu ziehen. Die ganzen Rückenprobleme fingen bei mir 98 an. Schmerzen nach langen Sitzen am Compi im Vorfeld, und plötzlich auftretende stechende Schmerzen führten mich zum Arzt. Der war wohl nicht so gut, hatte nur ein Röntgen in seiner Praxis gemacht und konnte nichts weiteres feststellen (ganz klar wenn man nur röntgt) und mir KG verschrieben. Als ich dann einige Wochen später nach Berlin gezogen bin, hatte ich immer noch Schmerzen, das Zurechtrücken der Waschmaschine führte dann zu extremsten Schmerzen. Ein CT brachte Klarheit: Bandscheibenvorfall L4/5 und Protusion L5/S1. Mit Behandlungen mit Spritzen, KG, Elektrotherapie wurde es nach einigen Monaten besser. Die Zeit war aber sehr heftig, weil ich hier noch niemanden kannte und auch noch kein Telefon hatte.
Nun gut, ich habe dann wie gewohnt weiter gemacht, stundenlanges Sitzen am Computer und kein sportlicher Ausgleich. Nach einem Jahr war es dann wieder soweit. CT besagte gleichen Befund an den selben Wirbeln, nur wo die Protusion war diesmal der Prolaps und umgekehrt. Also habe ich wieder die übliche KG bekommen, diesmal zum Glück in einer Praxis mit sehr fähigen Physiotherapeuten, die mittlerweile sogar meine Freunde geworden sind.
Dummerweise hatte ich nicht aus meinen Fehlern gelernt, und die ganzen Übungen nicht zu Hause gemacht. So kam es nach einem knappen Jahr nachdem ich Farbe von den oberen Fensterscheiben mit einer Rasierklinge abgekratzt hatte, zu einer Blockierung im Hals. Konnte den Hals nicht mehr bewegen und hatte ein Taubheitsgefühl in meinem rechten Daumen. MRT => 1 großer und ein kleiner Vorfall.
Ich war zu dem Zeitpunkt am Rande der Verzweiflung. Erst die LWS dann noch die HWS, was kann noch alles kaputt gehen? Nachdem ich von der EAP gehört hatte (so ein sechswöchiges Intensivprogramm mit MTT, Massagen, KG...) war ich auf der Suche nach einem Arzt, der mir dies verschreiben würde. Der erste meint ihre Krankenkasse (BKK) verschreibt das nicht, gehen sie mal in die Praxis, dort können sie auch auf Rezept trainieren. Der dortige Arzt hatte mich zwar nur 5 Minuten untersucht, hat aber sofort die EAP beantragt. Bin dann nach Westend gegangen, und alles hat dem Hals auch sehr gut getan. Allerdings hatte ich nach den 6 Wochen wieder verstärkte Schmerzen in der Lende. Die EAP konnte nicht mehr verlängert werden, da die Krankenkassen diese Behandlungen aus ihrem Programm genommen haben.
Alternativ wurde mir vorgeschlagen, dass ich eine zweiwöchige Rehamaßnahme im Zentrum für ambulante Rehabilitation (ZAR) machen könnte. Dort war ich dann auch, habe mich zu Beginn schon wieder recht fit gefühlt. Daher wurde mir ein recht intensives und anstrengendes Programm verschrieben. Aber es war wohl zuviel, den die Beschwerden im Lendenbereich waren zum Abschluss extrem.
Also wieder zu meinem Arzt => MRT => akuter Bandscheibenvorfall an den üblichen Lendenwirbeln + Osteochondrose und Arthrose. Ich war absolut am Ende. Nachdem ich so viel konservatives gemacht hatte, keine Erfolge zu Verzeichnen. Meine Arbeit ruhte sowieso schon weit über ein halbes Jahr, von den Ausfällen der ersten beiden Bandscheibenvorfällen abgesehen. Leider hatte ich mich im seit dem Vorfall am Hals komplett von meiner Umwelt isoliert und lag nur noch zu Hause, meine damalige Beziehung war sowieso nicht mehr das Wahre und ich fühlte mich zu nichts mehr zu gebrauchen.
Daher entschloss ich mich die Arbeit zu pausieren, weil ich sowieso nichts gescheites gebacken bekommen habe, und erst mal wieder zu mir finden musste. Des weiteren bin ich in die Sozialhilfe gerutscht, weil meine Doktorandenförderung ausgelaufen ist.
Dieses eine Jahr Pause von der doch stressigen Arbeit hat mir dann sehr gut getan. Ich würde es als kompletten Wechsel bzw. Neuanfang bezeichnen. Als erstes ein Ende der Beziehung. Direkt danach eine dreiwöchige stationäre Reha. Das war das einzig wahre, denn wenn man alleine lebt, ist man noch in so vielen Alltagsachen drin, und hat auch nicht richtig Zeit abzuschalten.
Nach der Reha habe ich eine Zeitlang KG gemacht, dann aber im August letzen Jahres mit Rehasport im oben genannten ZAR (zweimal die Woche MTT und einmal Wassergymnastik) angefangen. Dort kann man abends die ganzen Angebote im Rahmen eines Vereins nutzen. Das gute daran ist, dass es von der Krankenkasse bezuschusst wird, zum anderen muss ich nicht immer wieder bei den Ärzten um Rezepte betteln, um dann wieder pausieren. Es tut auch gut immer wieder die gleichen Gesichter dort zu sehen, und die sporttherapeutische Betreuung ist wirklich optimal.
Zeitgleich habe ich mit einer immer noch andauernden Psychotherapie angefangen, um mit den chronischen Schmerzen umgehen zu können. Und dort habe wirklich eine Menge gelernt: Dass meine Betreuung in der Doktorarbeit alles andere als gut war, und ich mehr oder weniger ausgenutzt wurde. Auf meinen Körper zu hören, nicht gerade einfach, wenn man in der stressigen Arbeit am Rechner sitzt. Anstatt mich von anderen leiten zu lassen, meinen eigenen Weg zu gehen, auch mal nein zu sagen und sich ohne schlechtes Gewissen Ruhe zu gönnen. Das sind nur einige Dinge.
Seit ein paar Monaten bin ich wieder an der Arbeit. Offiziell weiß das Sozialamt davon nicht, denn die würden mir nur sagen, ich könnte ja mit meinem Diplom mir eine Arbeit suchen. Die Situation auf der Arbeit ist um einiges besser. Ich habe eine neue Betreuung, es sind jede Menge neue Doktoranden dazugekommen, mit denen man sich austauschen und diskutieren kann.
Die Schmerzen sind zwar immer noch da, aber ich kann mit einiges besser damit umgehen. Wo ich früher mich sofort fallen lassen habe und im Bett liegen blieb, versuche ich nun zu aktiv zu bleiben, denn in der Bewegung liegt die Kraft J. Die Grenzen die mir der Körper setzt, versuche ich obwohl es nicht ganz einfach ist, zu akzeptieren. Und das wichtigste ist, dass ich immer wieder in mich reinhöre, um diese Grenzen auszuloten, und nicht wie früher diese zu verdrängen.
Was ich dabei sehr faszinierend finde, wie man selber den eigenen Schmerz wahrnimmt, und wie sehr der Schmerz von seinem eigenem Umfeld und auch innerem Empfinden abhängt. Wo ich früher verkrampft gegen den Schmerz ankämpfte (negativ), hat alles nur noch mehr wehgetan. Bestes Bespiel war vor ein paar Wochen, wo ich nach andauerndem positiven Verlauf wieder einen Rückfall hatte. Als ich total schmerzverkrampft bei meinem Psychotherapeuten war, lag ich das erste mal auf der typischen Liege. Ich habe mich unter Anleitung auf meinen Körper konzentriert, festgestellt, dass ich gut liege. Dann zuerst auf den Schmerzbereich, aber später auf den umliegenden Bereich, um dann diesen Bereich im übertragenden Sinne zu streicheln, also dem positiv gegenüber zu stehen. Und auf einmal war ich total entspannt, aber der Schmerz war weg. Sicher Entspannung kann man auch mit Jacobsen, autogenen Training erreichen, aber einen so direkten Übergang direkt habe ich noch nie erlebt. Aus diesem Grund versuche ich nächste Woche was neues: habe von meinem Therapeuten ein Rezept bei einer Krankengymnstin und Tanztherapeutin (klingt gut, wa?) bekommen, um diese Art der Körperwahrnehmung noch zu verbessern.
Ansonsten halte ich nicht allzu viel von Ärzten zumindestens Orthopäden. Leider können die aus den gesundheitpolitischen Gründen ja leider nicht alles verschreiben, was sie wollen und haben auch selten die nötige Zeit, dass man sich gut aufgehoben fühlt. Ich gehe nur noch zum Arzt, wenn ich was ganz bestimmtes von denen will. Zum anderen kann mir kein Orthopäde helfen, nur ich selber kann mir helfen (wie war das noch mal: Physiotherapie ist Hilfe zu Selbsthilfe...). Glücklicherweise ist mein bester Freund Unfallchirurg, leider nicht hier in Berlin. Und mit dem kann ich immer wieder alles besprechen. Manchmal geht das aber auch nach hinten los, wie zum Beispiel, der gut gemeinte Ratschlag, ob ich nicht eine OP in Betracht ziehen soll. Danach war ich wieder tagelang am Grübeln, weil er zwar gute Argumente hatte, ich aber einfach Angst habe an mir rumschnipplen zu lassen. Meine eine Sporttherapeutin hat aber dann mit mir ein Gespräch geführt und ihre Argumente (OP => Risiko, Hast du irgendwann mal keine Schmerzen? Ja, dann hat die Bandscheibe Platz und der Muskelaufbau muss noch weiter verbessert werde) haben mich überzeugt meine Energie von OP in Richtung konservative Therapie zu steuern.
So, dass war’s erst mal. Ganz schön lange alles geworden. Aber es tut doch gut sich hier auszutauschen. Hätte ich in den früheren weitaus schwereren Zeiten gut gebreuchen können, aber manchmal braucht’s halt etwas länger bis man seinen Weg findet ;-), aber der Erfahrungsautausch kann einem dabei sicher nur helfen!
Allen geplagten Bandis wünsche ich viel Kraft und Stärke auch in den nicht so schönen Zeiten....