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Komplette Version Nervenwurzeltod und OP Entscheidung

Bandscheiben-Forum > Erfolgreich operiert
hannes35
Hallo,

hier mein Erfahrungsbericht zum Thema "Diagnose: Nervenwurzeltod" in der Hoffnung dass er vielleicht anderen nützlich sein wird...

Vor anderthalb Jahren hatte ich (m, 37) einen Bandscheibenvorfall L5/S1. Ich hatte nach ca 10 Tagen Rückenschmerzen drei weitere Tage mit unglaublichem Schmerz bis runter in die Beine, ein Aufstehen war kaum mehr möglich. Dann, am dritten Abend kamen starke Muskelzuckungen rechts dazu, und die Zehen und Fussaussenkante fühlten sich seltsam kalt und pelzig an.

Am nächsten Morgen die grosse Überraschung: alle Schmerzen waren weg, der Rücken wieder beweglich... dafür aber war der rechte Fuss aussen pelzig-taub, und beim Gehen war er Matsch: Kraft war nämlich fast gar keine mehr da... ich kam rechts nicht mehr auf die Zehenspitzen und konnte nicht mehr normal gehen weil der Fussheber nur noch ganz schwach war (nach 5 Tagen Kortison oral allerdings gebessert auf Kraft 4/5: kam zwar nicht rauf auf die Zehen, konnte mich aber ein paar Sekunden dort halten).

Der MRT Befund war ganz klar: "Bandscheibenvorfall L5/S1 mit grossvolumigem Sequester der direkt auf die rechte S1 Nervenwurzel drückt. Deutliche Anzeichen einer hochgradigen Kompression der Nervenwurzel." Mein Neurochirurg drängte auf schnellstmögliche Operation, meinte aber auch dass es angesichts des komplett ausgefallenen Schmerzes bereits zu spät sein könnte. Um mich nicht selbst bei fehlender Heilungsaussicht unters Messer zu legen (Schmerzen hatte ich ja null) habe ich deshalb noch einen externen Neurologen konsultiert und ein EMG gemacht. Sein Bericht war ein Schock: "...es besteht eine deutlich ausgeprägte Schädigung der Wurzel S1 rechts. Aufgrund der beschriebenen Symptome ist vermutlich ein Wurzeltod eingetreten." Er meinte, in früheren Zeiten hätte man bei so einem Befund von der Operation abgeraten, weil der Nerv als ohnehin nicht mehr zu retten angesehen worden sei. Neuere Erfahrungen hätten jedoch gezeigt dass eine rasche Dekompression manchmal noch eine Verbesserung der neurologischen Situation erreiche könne.

Ich war recht verunsichert ob eine OP noch Sinn hatte -- entschied mich aber doch dafür. Einen Tag später, 11 Tage nach dem Ausfall aller Schmerzen, lag ich auf dem OP Tisch und wurde endoskopisch unter Vollnarkose operiert. Mit einem Elektrostimulationsgerät für den lahmen Muskel wurde ich nach drei Tagen Klinik entlassen. Ich habe mich die ersten acht Wochen nach der OP sehr geschont, Mischung aus Stehen, Liegen und Gehen, aber kein Sitzen. Ab der 6. Woche leichte KG, ab der 9. Woche ambulante Reha, nach 12 Wochen zurück auf Arbeit.

Wie hat sich die Situation entwickelt? Die OP war ein voller Erfolg hinsichtlich der neurologischen Situation. Nach ca. 7 Wochen wurde die Kraft im rechten Fuss wieder mehr, heute (anderthalb Jahre später) bin ich fast wieder bei 5/5. Das zeigt, trotz Verdacht auf "Wurzeltod" hatte die Dekompressions-OP Sinn. Nach allen Informationen die ich gesammelt habe ist allerdings ein baldiger OP-Zeitpunkt entscheidend für die Heilungsaussichten bei Kraftverlust: in der medizin. Literatur wird eine deutlich sinkende Erfolgsrate nach mehr als 14 Tagen nach Eintritt des Kraftverlusts beschrieben.

In meinem Fall hatte die OP jedoch auch ihren Preis, das Sitzen ist nämlich seit der OP ein größeres Problem: nach einer Weile im Sitzen fängt der linke (bisher gute) Fuss an zu kribbeln, wird taub; nach längerem Sitzen kommen auch oft wieder höllische Rückenschmerzen über die nächsten Tage dazu. Ich sitze daher selten mehr als 40-60 Minuten, stehe viel. Mein Arbeitgeber war glücklicherweise sehr flexibel und hat mir einen verstellbaren Schreibtisch gekauft. Kontroll-MRT zeigt eine Vorwölbung auf L4/L5 die jetzt scheinbar auf die L5 Wurzel drückt, sonst alles OK; das fühlt sich subjektiv allerdings nicht ganz so an. Trotzdem bin ich froh, denn ich bin weiterhin schmerzfrei. Mit Rückenschwimmen hat sich die Situation weiter verbessert. Die fehlende Fähigkeit länger zu sitzen bleibt aber immer noch eine erhebliche Einschränkung, aber ich komme doch vernünftig damit zurecht.

Ich hoffe, mein Beitrag kann dem ein oder anderen Betroffenen in der Entscheidungsfindung weiterhelfen. Ich habe festgestellt dass ein Bandscheibenvorfall mit vollkommenem Ausfall der Schmerzen bei gleichzeitiger Lähmung etliche Ärzte überfordert, man wird einerseits mit überflüssigen Schmerzmitteln überschüttet. Andererseits will einem keiner sagen, ob durch OP oder auch konservativ eine Besserung erreicht werden kann. Ob ich mich noch einmal für die OP entschieden hätte weiss ich ehrlich gesagt nicht: sie hat manches gebessert, aber um einen erheblichen Preis.

Hat jemand ähnliche Erfahrungen mit mäßiger Lähmung und fehlenden Schmerzen gemacht?

Viele Grüsse!

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Im Anhang hier der Wortlaut des neurologischen Befundes:

"EMG:
M. gastrocnemius: Im caput laterale mäßig ausgeprägte pathologische Spontaktivität , hochfrequente Einzelentladungen normale konfigurierte Potenziale. Caput mediale ebenfalls hochfrequente Einzelentladungen.

Beurteilung:
Bei dem Patient besteht eine deutlich ausgeprägte Schädigung der Wurzel S1 rechts. Aufgrund der beschriebenen Symptome ist vermutlich vor 10 Tagen ein Wurzeltod eingetreten. Aufgrund der Restinnervation und des noch engradig möglichen Zehenspitzenstandes denke ich dennoch dass eine Operation versucht werden sollte."











Topsy
Hallo Hannes,

herzlich willkommen hier im Forum.

Vielen Dank für deinen Bericht. Der hilft bestimmt einigen Bandis, die die Entscheidung OP oder nicht, vor sich herschieben.

Man gut, dass du die OP gemacht hast.

Ich selber habe die Erfahrung gemacht, dass auch nach langer Zeit noch etwas geht.
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Angepasst von Shaun Harrison
Übersetzt und modifiziert von Fantome et David, Lafter