Hallo hungermox,
ich antworte Dir mal, weil ich von einer Kopfgelenksasymmetrie selber betroffen bin. Ich muss allerdings gleich dazu sagen, dass ich leider bisher auch nichts gefunden habe, was mir geholfen hätte, dass die Probleme dauerhaft verschwunden wären. Insofern wäre ich auch sehr an den Berichten anderer Betroffener interessiert. Es gab bei mir immer wieder Phasen, in denen es mir besser ging, aber auf die lange Sicht kommen bei mir im Gegenteil immer mehr Beschwerden hinzu. Daher mache ich mich zurzeit selber wieder aktiv auf die Suche nach Erklärungs- und Therapieansätzen.
Als hilfreich habe ich empfunden:
- Optimierung der Schlafhaltung, gute Matratze, gutes Kissen. Hier lohnt es sich, auszuprobieren, wie man wirklich am besten schläft und möglichst beschwerdefrei aufwacht. Wenn ich auf dem Bauch oder der Seite einschlafe, habe ich inzwischen zuverlässig Probleme, ich versuche, nur noch auf dem Rücken zu schlafen. Aber das kann für jeden unterschiedlich sein.
- Wärme an HWS und Kopfansatz, lange heiße Duschen (dies entspannt meine Muskulatur etwas)
- weiche, gute dämpfende Schuhe, Spaziergänge
- Behandlung durch einen sehr guten (!!!) Physiotherapeuten, der bei mir oft von der Peripherie her arbeitet (Zwerchfell, Faszien am Kopf,...)
- zwei Übungen:
o Stehen für jeweils 30 Sekunden auf einem Bein, erst mit geöffneten, dann mit geschlossenen Augen. Wenn dies funktioniert, kann die Übung auf einem Kissen oder einem Stück Schaumstoff durchgeführt werden
o Augenübung, die wohl die tiefe Muskulatur im Nackenbereich trainiert:
In gerader Körperhaltung stehen, das Kinn mit einem Finger leicht fixieren. Auf der gegenüberliegenden Zimmerwand imaginäre horizontale, vertikale und diagonale Linien vorstellen, sternförmig. Diese Linien nun kreuz und quer mit den Augen abfahren, ohne den Kopf zu bewegen.
- Singen nimmt mir manchmal die Übelkeit (vielleicht, weil es die Atmung und Muskulatur beeinflusst, auch das Zwerchfell scheint eine Bedeutung zu haben)
- Informationen über anatomische Zusammenhänge im Bereich von Okziput, Atlas und Axis. Dies hat mir geholfen, viele meiner Beschwerden zu verstehen. Was man versteht, macht weniger Angst, man kann besser Einfluß nehmen und gezielter Hilfe suchen
- Austausch mit anderen Betroffenen
Als schädlich habe ich empfunden:
- jedes Verdrehen, Beugen und Ziehen an der Halswirbelsäule, auch zu diagnostischen Zwecken. Ich wäge inzwischen sehr gut ab, wen ich an die HWS lasse. Ich würde mich niemals in dem Bereich einrenken lassen und auch keinen Physiotherapeuten an dem Bereich arbeiten lassen, sofern er nicht sehr viel Erfahrung hat
- Dehnen der HWS
- Massagen an der HWS
- Krafttraining an Geräten
- Joggen, Brustschwimmen mit erhobenem Kopf, Mountainbikefahren - wegen der Kopfstellung und/oder den Erschütterungen
Mit muskelentspannenden Medikamenten habe ich unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Generell war es mir wichtig, nicht über längere Zeit Medikamente aus der Gruppe der Benzodiazepine zu nehmen (Tetrazepam, Musaril), da diese schnell zur Gewöhnung und Abhängigkeit führen können und der Entzug langwierig und schwierig ist und erst recht wieder mit Muskelverspannungen einhergehen kann. Eine Zeitlang habe ich bei einsetzenden Beschwerden Ortoton (Methocarbamol) genommen. Manchmal hat mir dies gegen die Schmerzen geholfen. Allerdings hatte ich auch eine Phase, in der ich froh gewesen wäre, wenn meine Muskeln - trotz der Schmerzen, die dies verursacht - verspannt gewesen wären und so für mehr Stabilität gesorgt hätten. Seitdem bin ich sehr vorsichtig mit der Einnahme muskelentspannender Medikamente; ich denke, es ist sehr wichtig, genau auf den Körper zu achten, was guttut und was nicht. Manchmal ist eine Muskelverspannung vermutlich auch da, um Schlimmeres zu verhindern.
Mein bisheriges Fazit ist das, dass ich vermehrt lernen will, auf meinen Körper zu hören. Was dem einen nützt, schadet dem anderen womöglich. Gerade Hinweise, die bei Bandscheibenschäden sehr hilfreich sind, müssen für Beschwerden in der oberen HWS nicht gelten, da es zwischen dem Kopf und dem ersten und zweiten Halswirbel gar keine Bandscheiben gibt und die Mechanik hier eine andere ist.
Ich bin gerade selber noch dabei, nach Studien zu dem Thema zu suchen. Allerdings ist bei vielen Studien der Evidenzgrad recht niedrig, die Studien haben also nur bedingte Aussagekraft. Das mag daran liegen, dass das Beschwerdebild sehr komplex ist und es schwierig ist, gleiche Gruppen zu bilden.
Da ich selber noch dabei bin, mich zu informieren, kann ich nur einen kurzen Überblick geben über das, was ich bisher gefunden habe:
- Operationen in dem Bereich (Versteifungen) sind tendentiell riskant und bringen sehr hohe Beeinträchtigungen mit sich, da die Beweglichkeit der entsprechenden Abschnitte verloren geht (Drehen/Beugen des Kopfes). Es gibt Berichte von Betroffenen, denen es hinterher nicht besser ging als vorher. Ich konnte mir noch keine umfassende Meinung bilden, aber nach dem, was ich bisher weiß, wäre dies zurzeit für mich die allerletzte Lösung.
- Proliferationstherapie: Wird v.a. in den USA angewandt und ist nicht billig.
Hier gibt es Studien dazu, ich hatte aber selber noch keine Zeit, mich einzulesen. Dieses Verfahren wird wohl teilweise auch in Deutschland durchgeführt, jedoch in abgewandelter Form. Ich konnte mir noch keine Meinung dazu bilden.
- Atlastherapie: Wenn Atlastherapie, dann käme für mich persönlich nur Atlastherapie nach Arlen bei sehr erfahrenen Therapeuten in Frage. Grundsätzlich würde ich eine Behandlung in dem Bereich nur durchführen lassen, wenn das Ausmaß der Schäden so genau wie möglich bestimmt ist (Welche Bänder sind wie verletzt? Ist die Denskapsel intakt?). Von Atlantotec habe ich auch von sehr negativen Erfahrungen gelesen. Auch zur Atlastherapie nach Arlen hatte ich von einer sehr negativen Erfahrung gelesen, allerdings auch von vielen guten Erfahrungen; hier könnte ggf. eine Rolle spielen, wie lange schon eine Fehlstellung des Atlas bestand. Aufgrund meiner schon lange bestehenden Fehlstellung, bestehender Gesichtsasymmetrie etc. ist meine Tendenz, keine Atlastherapie durchführen zu lassen. Ich denke, in jedem Fall ist es wichtig, so viele Informationen wie möglich einzuholen und für sich selber abzuwägen, was man versuchen will.
- Es gibt einen umstrittenen Erklärungsansatz, nach dem eine instabile Halswirbelsäule/Kopfgelenk durch wiederkehrende Minderdurchblutung des Hirns und Sympathicusreizungen zusätzlich auf sehr komplexe Weise den Stoffwechsel durcheinanderbringen kann und Beschwerden in den verschiedensten Bereichen des Körpers verursachen kann. Zu diesem "nitrosativen Stress" - wenn auch nicht in Verbindung mit HWS-Problemen - wird in der Zwischenzeit an einigen Universitäten geforscht. Gesicherte Erkenntnisse sind mir bisher nicht bekannt und der Erklärungsansatz scheint auch noch in der Entwicklung zu sein. Aber vieles deckt sich mit meinen eigenen Erfahrungen, so dass ich für mich beschlossen habe, mich weiter mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
- Ich habe von einem Fall gehört, in dem ein implantierter Neurostimulator zur Linderung der Schmerzen beigetragen hat. Allerdings ist auch diese Operation wohl sehr gefährlich und es liegen wohl bisher nur wenige Erfahrungswerte vor. Alle Symptome kann aber wohl auch dieses Verfahren nicht beseitigen. Auch hierzu würde ich gerne nähere Informationen sammeln, bin aber bisher noch nicht dazu gekommen.
Generell ist mein Eindruck der, dass es gerade mit Beschwerden im Bereich des Kopfgelenks ungemein wichtig ist, sich als Patient selber zu informieren und das eigene Körperempfinden ernstzunehmen. Leider scheint das Thema auch für viele Ärzte eine Glaubensfrage zu sein. Viele Patienten machen die Erfahrung, mit ihren Beschwerden nicht ernstgenommen zu werden. Anstelle einer möglichst umfassenden bildgebenden Diagnostik, auch in Funktionsstellungen des Kopfes, erleben die Patienten oft, dass von psychosomatischen Beschwerden gesprochen wird oder am Ende der vergeblichen Suche nach Hilfe sogar das psychiatrische Hilfesystem steht. Dies halte ich für ethisch höchst bedenklich.
Ich bin gespannt auf einen weiteren Austausch.
Alles Gute,
odysseus